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Aktuell

10.02.2021

Mehr Spielraum auf kleiner Fläche

GID-Redakteurin Pia Voelker hat mit dem Brandenburger Ökolandwirt Carlo Horn über die Frage nach der Anpassung an den Klimawandel gesprochen. Für Horn kann mit Ökolandbau vielen Herausforderungen des Klimawandels begegnet werden. Er bringt aber noch weitere Probleme ins Gespräch, für dessen Lösung er einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz fordert.

Wir veröffentlichen hier einen Auszug aus dem Interview.

Pia Voelker: Der Klimawandel fordert die Landwirtschaft heraus. Seit einigen Jahren ist es auch in Deutschland deutlich zu spüren, 2020 war bisher das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 84 Jahren. Es hat so wenig geregnet wie seit zehn Jahren nicht mehr. In einigen Regionen, beispielsweise in Niedersachsen, ist zeitweise sogar die Trinkwasserversorgung knapp geworden. Die Wasserknappheit ist auch für die Landwirtschaft ein Problem. Wie sieht die Situation in Brandenburg aus?

Carlo Horn: Das betrifft uns natürlich auch. In Brandenburg ist es aber schon immer trocken gewesen. Und wir haben echte Extreme: Auf wenigen Metern haben wir Kaninchensand und dann wieder Niedermoor.

Voelker: Wie begegnest du diesen klimatischen Herausforderungen?

Horn: Wir sind mit unserem Hof vor über 20 Jahren auf den Ökolandbau umgestiegen. Schon vor Jahren haben wir uns aus dem Rennen genommen, weg von der Idee „jeder zusätzliche Hektar ist ein guter Hektar“. Damals auch unter dem ökonomischen Druck, da wir nicht Willens waren, die Kauf- bzw. Pachtpreise zu zahlen. Wir wirtschaften lieber auf kleinerer Scholle, haben diesen kleineren Raum dafür aber mehr unter Kontrolle. Was wir tun ist in vielerlei Hinsicht völlig anders, als überall sonst gedacht wird.

Voelker: Anders als in der konventionellen Landwirtschaft?   

Horn: Ja. Die Fläche, die wir haben, überziehen wir nicht pauschal mit einer Fruchtfolge oder einem Bewirtschaftungssystem, so wie es die größeren Betriebe häufig tun. Je größer ein Betrieb, desto primitiver wird er von seiner Fruchtfolge abhängig, desto pauschaler wird seine Bewirtschaftung und desto mehr braucht er Glyphosat. Bei uns ist es so, dass wir je nach Bodenqualität völlig unterschiedliche Anbausysteme haben. Und gerade die Böden, die grundwasserfern und von vornherein trockenheitsgefährdet sind, versuchen wir möglichst dauerzubegrünen. Wir nutzen zudem die Vegetationsperioden, die durch den Klimawandel länger geworden sind, und können zwei Hauptfrüchte ernten: Während eine klassische Fruchtfolge aus Haupt- und Zweitfrucht besteht, ernten wir zwei Hauptfrüchte pro Jahr auf den Äckern. Zum Beispiel Grünschnittroggen und eine trockenstressresistente Hirse.

Voelker: Welche Rolle spielt die Artenvielfalt für die Klimawandelanpassung?

Horn: Artenvielfalt ist ein sehr wichtiger Aspekt. Wir brauchen sie, aber viele Sorten sind vom Aussterben bedroht. Aus einer wahnsinnig großen genetischen Vielfalt, die genau diesen Klimabedingungen getrotzt hat, sind im Rahmen der Intensivierung der Landwirtschaft viele Sorten aus dem Rennen genommen worden und in die Hände einiger weniger Konzerne gegangen. Damit haben wir uns von einer Artenvielfalt zu einer Artenarmut bewegt. Länderübergreifend werden nun die gleichen Pflanzensorten angebaut.

Voelker: Wie kann auf diese Entwicklung reagiert werden?

Horn: Wir können unseren Hof als Beispiel nehmen. Wir haben über Jahrhunderte immer auf der gleichen Fläche einen Landschlag, also eine geografische Varietät, angebaut und immer die besten Körner herausgesucht. Damit haben wir diesen Landschlag an den Standort angepasst und tun es bis heute.

Voelker: Ein Argument, das manchmal für die konventionelle Landwirtschaft und gegen den Ökolandbau eingebracht wird, ist, dass dieser nicht ausreichend Ertrag brächte und nicht effizient genug sei. Wie ist das bei euch?

Horn: Wenn man einen solchen Vergleich anstellt, sollte man nicht vergessen, dass die konventionelle Landwirtschaft erhebliche Zusatzkosten verursacht, weil Gewässer verschmutzt werden, hohe Emissionen den Klimawandel weiter vorantreiben und Artenvielfalt und fruchtbare Böden zerstört werden. Der Ökolandbau schützt Ressourcen. Wenn wir über Effizienz reden, sollten wir diese Aspekte nicht vergessen. Ich denke der konventionelle Landbau von heute, aber auch die ökologische Landwirtschaft, sind noch lange nicht ausgereift. Ein Problem im Ökolandbau ist in meinen Augen, dass wir unsere Pflanzen nicht bedarfsgerecht ernähren können. Man könnte im Ökolandbau sehr viel mehr Effizienz erreichen, wenn wir die Nährstoffverluste, die wir haben, durch mineralischen Dünger ausgleichen könnten. Nicht unbedingt zur Hauptfrucht, sondern zur Zwischenfrucht. Damit könnten wir die Effizienz des Ökolandbaus erhöhen.

Voelker: Welche Rolle spielt der Boden im Hinblick auf die Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt?

Horn: Die natürliche Bodenfruchtbarkeit wird im Rahmen des Klimawandels immer mehr an Bedeutung gewinnen. Wir werden unseren Fokus auf Böden mit einem hohen Maß an natürlicher Fruchtbarkeit richten. Von chemischen Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat oder synthetisch-mineralischem Dünger müssen wir wegkommen und stattdessen aktiv Humus aufbauen. Der Boden wird aber überwiegend gar nicht mehr betrachtet, weil er künstlich beregnet, künstlich gedüngt und gespritzt wird. Der Ökolandbau ist da genau das Gegenteil. Wir haben bei uns auf dem Hof, trotz der klimatischen Herausforderungen für Ökolandbau, immer noch recht interessante Ernten. Das liegt auch daran, dass wir Humusaufbau betreiben.

Voelker: Wie erreicht ihr diese Bodenfruchtbarkeit?

Horn: Bei uns ist der Boden ganzjährig mit Pflanzen bewachsen und beschattet. Die Bodentemperaturen werden so eingepegelt, dass permanent bakterielles Leben darunter stattfinden kann. Demzufolge auch permanent Stoffwechselprozesse, die dann auch alle anderen Systempartner in der Kette ernähren. Wenn ich aber den Fehler mache, die Böden tot zu spritzen, mit schweren Maschinen zu befahren, blank in der Sonne liegen zu lassen und so weiter, also all das, was häufig gemacht wird, dann fahre ich die Bodenfruchtbarkeit gegen die Wand.

Voelker: Woran liegt es, dass dieses Vorgehen nicht unter allen Landwirt*innen, also auch in der konventionellen Landwirtschaft, verbreitet ist?

Horn: Mit diesem Vorgehen sind wir nicht so leistungsfähig und haben von vornherein keine Chance, gegen die Weltmarktpreise anzukommen. Wir brauchen dann Systempartner*innen wie beispielsweise Kornwerk, die die pflegliche Art unserer Landwirtschaft schätzen und bereit sind, den Differenzpreis zwischen ausbeuterischer Landwirtschaft und der Art, wie wir es machen, auch in Euro auszudrücken. Konventionelle Landwirt*innen können sich durch den hohen Druck von allen Seiten gar nicht erlauben, den Boden mal ruhen zu lassen oder mal Dauerkulturen anzubauen, wie bei uns die Kleegräser. Das sind die Bestandteile der Fruchtfolge, die am längsten den Boden bedecken. Bei der konventionellen Landwirtschaft ist das ja genau das Gegenteil. Die Kolleg*innen wehren sich dagegen, auch nur wenige Prozent ihrer Fläche aus der Produktion zu nehmen und für Naturschutz-Fragen zur Verfügung zu stellen. Oder bei den Kulturen, die im Feld stehen, mal eine Leguminose, wie beispielsweise einen Rotklee, anzubauen. Oder keine am Weltmarkt gehandelte Cash Crop Frucht.

Voelker: Denkst du, der Einsatz von grüner Gentechnik kann bei der Anpassung an den Klimawandel helfen?

Horn: Das lehne ich vollumfänglich ab. Wenn ich schaue, wie lange an grüner Gentechnik bereits geforscht wird und was damit erreicht wurde, dann sehe ich in keiner Weise den Wunsch und Willen der entsprechenden Saatguthersteller*innen, wirklich einen Weizen für die Wüste zu züchten. Ganz im Gegenteil: man will die Abhängigkeit der Benutzer*innen weiter stärken. Dafür können wir einen Blick Richtung USA werfen und schauen, was die Gentechnik dort gebracht hat. Man hat den Leuten eine glyphosatresistente Kultur angeboten, die mit minimaler Bodenbearbeitung direkt ausgebracht werden kann. Das spart unheimlich viel Wasser. All das, was nicht Zielvegetation ist, wird dann mit Glyphosat totgesprüht. In der Folge haben sich glyphosatresistente Unkräuter gebildet und die Glyphosatmenge wurde immer weiter erhöht.

Züchterisch hat man aber Soja-, Mais- oder Rapssorten genommen, die eigentlich aus den 60er, 70er, 80er Jahren kommen und hat dort diese Glyphosatresistenz eingebaut. Anstatt sich auf die Fragestellung der Wassereffizienz zu konzentrieren. Das ist genau das, was die Landwirt*innen unabhängiger machen würde von den Monsantos dieser Welt. Und genau das ist ja, was man nicht erreichen will. Insofern ist das in meinen Augen großes Wunschdenken. Eventuell würde es anders aussehen, wenn die Technik in den Händen des Gemeinwohls läge. Aber solange Gentechnik verwendet wird, um Gewinne zu erzielen, ist das genauso eine fatale Entwicklung wie das Gesundheitswesen zu privatisieren und an Krankheiten Geld zu verdienen.
Was ich als Landwirt*in brauche, ist eine bunte Artenvielfalt aus tausenden Arten, Sorten und Kulturen, alle paar Meter sollte genau die Pflanze wachsen, die mit den lokalen Witterungsbedingungen am besten zu Rande kommt. Dafür sind konventionelle Züchtungsmethoden viel geeigneter.

Voelker: Ein prominentes Argument der Befürworter*innen neuer Gentechnik ist, die Züchtung neuer Sorten gehe im Vergleich zu konventioneller Züchtung schneller…

Horn: Wir könnten aber auch an einen trockenen Standort gehen und schauen, was dort von Natur aus wächst. Heutzutage haben wir nur noch einige wenige Sorten mit einigen isolierten Eigenschaften. Das reicht nicht aus. Ich bin der Meinung man sollte schauen, was an trockenen Standorten wächst und das mit klassischen züchterischen Methoden bearbeiten. Wenn man wirklich wollte, gäbe es da aus meiner Sicht viele Möglichkeiten. Eventuell könnten wir das ein oder andere aus Genbanken reaktivieren, um die Artenvielfalt wiederherzustellen, die über die letzten 100 Jahre aus dem Rennen genommen wurde.

Voelker: Wie kann so etwas in der Praxis aussehen? Hast du ein konkretes Beispiel für mich?

Horn: Ein kleines Beispiel von unserem Hof aus dem letzten Jahr. Wir haben einen Anbauversuch gestartet. Vier Weizensorten von Demeter, auf dem Dottenfelder Hof gezüchtet, im Vergleich zu zwei konventionellen Referenzsorten. Diese sechs Sorten haben wir in schmalen Streifen nebeneinander gebaut von der Wüste ins Moor gehend. Dabei haben wir feststellen können, welcher der sechs Weizensorten in der Wüste wächst und wie das Ertragsbildungsverhalten aussieht, je besser die Wachstumsbedingungen werden. Das war sehr spannend zu sehen. Ich will jetzt gar nicht für den einen oder gegen den anderen argumentieren, aber allein schon zu sehen wie sechs Sorten auf den gleichen Standort reagieren war schon eine Erkenntnis wert.

Voelker: Wie geht es dann damit weiter?

Horn: Wir haben diese sechs Sorten zusammengedroschen und verwenden diese sechs unterschiedlichen Genotypen jetzt als neues Saatgut. Wir machen also einen Multisortenanbau. Damit haben wir eine sehr breite genetische Basis und setzen das als Saatgut für die nächste Ernte ein. Aus den nächsten Ernten werden wir immer nur die besten Körner auswählen. Im Prinzip haben wir alles, was wir brauchen, um auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren. Aber dafür brauchen wir einen Wandel des Gesellschaftsmodells, der es Landwirt*innen erlaubt, ökologische Methoden anzuwenden. Das würde ermöglichen, Landwirtschaft nachhaltig an den Klimawandel anzupassen und diesen gleichzeitig nicht weiter zu befeuern.

Quelle: Gen-ethisches Netzwerk

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